
Versteckte Kosten und manipulative Mechanismen: Die Kritik der Verbraucherschützer
Mobile Games wie Fortnite, Roblox, Clash of Clans, Monopoly Go und Subway Surfers gehören zu den populärsten Spielen weltweit. Millionen Kinder und Jugendliche spielen diese Titel täglich, oftmals auf Smartphones und Tablets. Dabei ist der Zugang kostenlos – zumindest auf den ersten Blick. Denn die Monetarisierung erfolgt über sogenannte In-App-Käufe, bei denen virtuelle Währungen, Upgrades oder kosmetische Items erworben werden. Genau diese Praxis ist nun ins Visier des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv) geraten.
Der vzbv hat mehrere Anbieter abgemahnt und kritisiert, dass die Preisgestaltung und Kaufanreize oft undurchsichtig und manipulativ seien. Vor allem Kinder seien dadurch einem hohen Risiko ausgesetzt, unbeabsichtigt oder unter psychologischem Druck Geld auszugeben. Die Rechtslage ist dabei unklar – die Branche nutzt diese Lücken bislang konsequent aus.
Hintergrund: Das Free-to-Play-Modell und seine Schattenseiten
Das sogenannte „Free-to-Play“-Modell erlaubt es, Spiele kostenlos herunterzuladen und zu spielen. Doch wer schnell vorankommen oder bestimmte Funktionen nutzen möchte, muss oft Geld investieren – in Form von Mikrotransaktionen. Die Beträge wirken zunächst gering, können sich aber summieren.
Die In-App-Käufe werden meist nicht in Euro angezeigt, sondern in Spielwährungen wie „V-Bucks“ (Fortnite), „Robux“ (Roblox) oder „Juwelen“ (Clash of Clans). Diese Konstruktion verschleiert die tatsächlichen Kosten. Gleichzeitig wird durch gezielte Designentscheidungen – sogenannte Dark Patterns – ein psychologischer Kaufdruck erzeugt: Countdown-Timer, durchgestrichene Preise, blinkende Kaufbuttons oder limitierte Angebote suggerieren künstliche Knappheit und Handlungsdruck.
Rechtliche Grauzonen und Verbraucherschutz
Aktuell gibt es in Deutschland keine Pflicht für Spieleentwickler, bereits in den App-Stores eindeutig anzugeben, ob und in welchem Umfang In-App-Käufe enthalten sind. Zwar verlangt die Preisangabenverordnung eine „klare und vollständige“ Auszeichnung von Preisen – diese gilt allerdings primär für physische Produkte und klassische Online-Shops. Die digitale Spielwelt operiert in einer rechtlichen Grauzone.
Besonders brisant ist dies im Hinblick auf Kinder und Jugendliche. Zwar regelt § 110 BGB (sogenanntes „Taschengeldparagraph“), dass Minderjährige kleinere Käufe mit eigenem Geld tätigen dürfen – doch was „klein“ ist, ist nirgends genau definiert. Zudem fehlt bei In-App-Käufen oft der Hinweis, ob eine Zustimmung der Erziehungsberechtigten vorliegt oder erforderlich ist. Die Folge: Kinder können teils hunderte Euro über verknüpfte Zahlungswege wie Kreditkarten, App-Store-Konten oder Mobilfunkrechnungen ausgeben, ohne dass die Eltern es rechtzeitig merken.
Die Fälle im Detail – Was bei Fortnite, Roblox & Co. beanstandet wurde
Der vzbv hat sich in seiner Untersuchung gezielt fünf beliebte Titel angesehen. Die Kritikpunkte ähneln sich, auch wenn die Reaktionen der Anbieter unterschiedlich ausfielen:
- Fortnite (Epic Games): Die Verbraucherschützer bemängelten durchgestrichene Preise und Rabattangaben, die irreführend sein könnten. Nach der Abmahnung entfernte Epic Games entsprechende Rabatt-Hinweise und passte die Darstellung an. Damit zeigt sich Epic zumindest partiell einsichtig.
- Roblox: Hier wurde keine Einigung erzielt. Der vzbv kritisiert, dass Nutzer vor dem Kauf von „Robux“ keine transparente Information erhalten, welchen Gegenwert sie in Euro erhalten. Zudem werden Preise häufig nur innerhalb des Spiels und nicht in den Stores angezeigt. Deshalb hat der vzbv Klage gegen Roblox beim Landgericht Berlin eingereicht.
- Clash of Clans (Supercell): Supercell zeigte sich kooperativ. Nach einem Gespräch mit dem vzbv unterzeichnete das Unternehmen eine Unterlassungserklärung und überarbeitete Formulierungen in der Kaufanzeige und den AGB.
- Monopoly Go (Scopely) & Subway Surfers (Sybo): Auch diese beiden Titel wurden wegen mangelnder Preistransparenz und manipulativer Verkaufsstrategien abgemahnt. Konkrete Reaktionen der Unternehmen stehen jedoch noch aus.
Reaktionen aus Branche und Politik
Der Branchenverband game – Verband der deutschen Games-Branche betont, dass man „sowohl den Jugendschutz als auch die Transparenz sehr ernst nehme“. Gleichzeitig warnt man vor pauschalen Schuldzuweisungen. Die Anbieter müssten bei der Preisgestaltung aber auch die Grenzen bestehender Technik und internationaler Vertriebsmodelle berücksichtigen.
Die Verbraucherschützer halten dagegen: Es sei „nicht hinnehmbar“, dass Kinder bewusst in kostspielige Kaufentscheidungen gedrängt würden, ohne dass diese oder ihre Eltern den Preis im Vorfeld erkennen könnten. Man begrüße zwar die EU-weite Einführung des Digital Services Act (DSA), doch dieser sei in seiner jetzigen Form nicht weitreichend genug. Deshalb fordert der vzbv eine weitere Regulierung im Rahmen des geplanten „Digital Fairness Acts“, der speziell auf manipulative Kaufanreize und Preisintransparenz zielen soll.
Was bedeutet das für Verbraucherinnen und Verbraucher?
Die Problematik betrifft nicht nur Minderjährige, sondern auch deren Eltern, die häufig gar nicht mitbekommen, dass ihr Kind gerade echtes Geld für virtuelle Inhalte ausgibt. In der Praxis zeigt sich: Viele Spiele fordern zur Eingabe von Kreditkartendaten oder App-Store-Zugangsdaten auf – und speichern diese dauerhaft für weitere Käufe.
Hinzu kommen Datenschutzaspekte: Einige Spiele verknüpfen Werbeanzeigen mit Nutzerverhalten oder werten Spielmuster aus, um gezielt Verkaufsangebote zu platzieren. Damit geraten auch sensible Nutzerdaten in einen Graubereich der kommerziellen Verwertung.
Praktische Tipps für Eltern und Nutzer
Um die Risiken einzugrenzen, empfiehlt der vzbv mehrere Maßnahmen:
- Kaufbeschränkungen aktivieren: In den Einstellungen von iOS und Android lassen sich In-App-Käufe sperren oder mit einem Passwort schützen.
- Prepaid-Lösungen nutzen: Statt Kreditkarten sollten Eltern auf Prepaid-Karten setzen, um das Ausgabenlimit zu kontrollieren.
- Altersfreigaben prüfen: Die USK gibt mittlerweile auch Hinweise auf In-App-Käufe. Dennoch sind diese bislang freiwillig – hier besteht Nachbesserungsbedarf.
- Aufklärung: Eltern sollten mit ihren Kindern über In-App-Käufe sprechen und erklären, dass virtuelle Währungen echtes Geld kosten.
Der Blick nach vorn: Was sich ändern muss
Die bisherigen Reaktionen der Anbieter sind ein erster Schritt, lösen das Problem jedoch nicht grundlegend. Solange Preisangaben verschleiert, Spielmechaniken auf psychologische Tricks setzen und Minderjährige Zielgruppe der Monetarisierung bleiben, wird sich an der Problematik wenig ändern.
Der Digital Fairness Act, der von der EU-Kommission vorbereitet wird, könnte neue Standards setzen: verpflichtende Preisangaben, Verbote für bestimmte Dark Patterns und spezielle Schutzmechanismen für Minderjährige. Auch eine unabhängige Prüfstelle für In-App-Käufe – analog zur Stiftung Warentest – wäre denkbar.
Ein überfälliger Weckruf
Die Abmahnungen gegen große Spieleentwickler sind ein Signal: Der digitale Raum ist kein rechtsfreier Raum. Wer gezielt Kinder und Jugendliche als Kunden anspricht, trägt eine besondere Verantwortung. Die Branche sollte sich dieser Verantwortung stellen – und nicht auf die nächste gesetzliche Pflicht warten.
In der Zwischenzeit bleibt es Aufgabe der Eltern, wachsam zu sein. Doch ohne klare Regelungen und technische Voreinstellungen wird der Schutz vor ungewollten In-App-Käufen immer lückenhaft bleiben. Die Debatte um Fairness in digitalen Spielen hat gerade erst begonnen – und sie betrifft weit mehr als nur ein paar virtuelle Münzen.